Das Geheimnis des Kartenmachers by Rainer M Schröder

Das Geheimnis des Kartenmachers by Rainer M Schröder

Autor:Rainer M Schröder [Schröder, Rainer M]
Die sprache: deu
Format: epub
veröffentlicht: 2013-03-16T04:00:00+00:00


Zwanzigstes; Kapitel

Caspar vermochte seine Aufregung und Ungeduld nur mit Mühe zu bezähmen und vor Klara und Bartholo zu verbergen, als sein Meister Augenblicke später an die eisenbeschlagene Bohlentür zu seinem geheimnisumwitterten Sanctum trat, den Schlüssel hervorzog und ihn im Schloss umdrehte. Seit fast einem Jahr rätselte er, was sich wohl hinter dieser Tür verbergen mochte, und gleich würde er es wissen!

»Bring die Leuchte!«, rief Bartholo Klara über die Schulter zu, und als sie mit der Öllampe hinter ihn trat, stieß er die Tür auf und machte eine einladende Handbewegung.

Der Lichtschein von Klaras Leuchte fiel in den gut sechs Schritte langen und nur unwesentlich schmaleren Raum, dessen Fenster mit schweren Tüchern verhängt waren. Und noch bevor Caspar Einzelheiten ausmachen konnte, überkam ihn eine Gänsehaut. Denn er spürte, dass Bartholo nicht übertrieben hatte, als er davon gesprochen hatte, dass er in diesem Zimmer die zusammengetragenen Geheimnisse der Welt hütete. Und er, der ungeliebte zweite Sohn eines einfachen Schankwirtes aus der Jakobervorstadt, erhielt nun Zutritt zu diesem Zimmer und damit Einblick in diese Geheimnisse!

Während Bartholo zwei weitere Öllampen entzündete, sodass der Lichtschein nun auch die Dunkelheit aus der hintersten Ecke vertrieb, sahen sich Caspar und Klara mit andächtigem Staunen im Zimmer um. Rechts und links der Tür zogen sich wie vorn in der Werkstatt lange Arbeitstische mit schweren, dicken Platten an der Wand entlang, bedeckt mit Werkzeugen und Utensilien aller Art. Drei solide, auf Maß angefertigte Stellagen, die in viele einzelne und unterschiedlich große Fächer unterteilt waren, bedeckten die hintere Längswand. Gut zwei Drittel dieser Fächerschränke waren mit Büchern, Briefen und Packen verschnürter Papiere voll gestopft. In den anderen, etwas kleineren Fächern steckten mehrere dutzend Papier- und Pergamentrollen. Ein hüfthohes Kohlenbecken, das auf einem Eisengestell ruhte und noch mit kalter Asche gefüllt war, stand nahe der Tür, ein anderes befand sich im hinteren Teil des Zimmers.

Ihr Blick fiel auf eine ganze Reihe von seltsamen Gerätschaften, die sie noch nie zuvor gesehen hatten und über deren Verwendungszweck sie nur Mutmaßungen anstellen konnten. Sie hingen an den Wänden oder lagen auf dem Werktisch links von der Tür.

Klara steuerte sofort auf eine gut stierkopfgroße und bunt bemalte Kugel zu, die offensichtlich aus Holz gearbeitet war und in der Ecke zwischen dem linken Werktisch und der Fächerwand auf einem kleinen, eisernen Dreibein saß. »Caspar! Schau dir das hier mal an!«, rief sie ganz aufgeregt.

Caspar trat näher und war von der Vielfalt der farbigen Linien und Zeichen verwirrt, die diese Kugel bedeckten. Er ahnte, was diese bemalte Holzkugel darstellen sollte, war sich jedoch nicht sicher. »Habt Ihr die Kugel bemalt?«, fragte er seinen Meister.

Bartholo nickte. »Mein erster und zugegebenermaßen nicht sehr gelungener Versuch, Kartenangaben auf eine Kugel zu übertragen. Die Schwierigkeiten der rechten Projektion, die sich bei solch einer Aufgabe ergeben, habe ich doch sehr unterschätzt.«

»Was soll das denn sein?«, fragte Klara, die nichts damit anzufangen wusste.

»Eine Erdkugel – und damit ein getreueres Abbild unserer Welt, als gewöhnliche Karten es bieten«, erklärte Bartholo. »Der Redlichkeit halber muss ich jedoch gestehen, dass ich diese Idee dem Nürnberger Kaufmann Martin Behaim verdanke, der zugleich ein bewundernswerter Mathematiker und Kartograf ist.



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